Rechte von Betreuten gestärkt: Keine Gerichtsgebühren für Betreuungsverfahren bei „Behindertentestament“

Rechte von Betreuten gestärkt: Keine Gerichtsgebühren für Betreuungsverfahren bei „Behindertentestament“

Der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts hat entschieden, dass Betreute, die eine Erbschaft im Rahmen eines sog. „Behindertentestaments“ gemacht haben, nicht für Gerichtsgebühren für ihr Betreuungsverfahren heranzuziehen sind.

Nach einer Vorschrift im GNotKG (Nr. 11101 des Kostenverzeichnisses im GNotKG) ist eine wertabhängige Jahresgebühr für jedes angefangene Kalenderjahr einer Dauerbetreuung zu erheben, sofern die Betreuung das Vermögen zum Gegenstand hat und das Vermögen nach Abzug der Verbindlichkeiten mehr als 25.000 € beträgt. Ein selbst genutztes Hausgrundstück wird hierbei nicht mitgerechnet. Im hiesigen Fall war der Betreute mittels eines sog. „Behindertentestaments“ nicht befreiter Vorerbe eines Vermögens von über 500.000 € seiner Eltern geworden und sollte zu einer jährlichen Gerichtsgebühr von 1.320 € herangezogen werden. Der Nachlass unterliegt einer Dauertestamentsvollstreckung und sowohl die Vermögenssubstanz als auch die Vermögenserträge sind dadurch dem Betreuten entzogen; allein der Testamentsvollstrecker kann im Rahmen der Vorgaben des Erblassers über das Vermögen verfügen.

Der Senat hat entschieden, dass durch die Heranziehung des Vermögens des Betreuten, über das er selbst nicht verfügen kann, Sinn und Zweck des sog. „Behindertentestaments“ konterkariert würde. Die testamentarischen Bestimmungen sollten hier gerade dazu dienen, das Nachlassvermögen des Betreuten dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu entziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind solche Verfügungen von Todes wegen grundsätzlich nicht sittenwidrig, sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus, wenn die Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer – mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen – Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann. Der Senat hat aus diesem Grundsatz nunmehr abgeleitet, dass für die Geltendmachung von Gerichtsgebühren für das Betreuungsverfahren durch die Landesjustizkasse nichts Anderes gelten könne.

Vorinstanzen
AG Mainz – XVII 613/01
LG Mainz – 8 T 97/20

Gericht/Institution:OLG Zweibrücken
Erscheinungsdatum:01.02.2021
Entscheidungsdatum:23.11.2020
Aktenzeichen:3 W 58/20

Quelle: Pressemitteilung des OLG Zweibrücken v. 01.02.2021 / juris

Änderungen eines Testaments bedürfen immer der Unterschrift

Änderungen eines Testaments bedürfen immer der Unterschrift

Das OLG Köln hat entschieden, dass zwar Änderungen eines Testaments grundsätzlich auch auf der Kopie des eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testaments vorgenommen werden können; Voraussetzung ist dabei allerdings, dass auch die Änderungen mit einer Unterschrift des Erblassers versehen sind.

Die Erblasserin hatte zunächst gemeinsam mit ihrem Ehemann einen Erbvertrag geschlossen, mit dem sie sich gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben einsetzten. Nach dem Tod ihres Ehemannes verfasste sie außerdem ein handschriftliches Testament mit verschiedenen Regelungen zugunsten ihrer Söhne. Dieses Testament wurde im Original auf Veranlassung der Erblasserin in einem Bankschließfach verwahrt, während sie in ihrer Wohnung Kopien aufbewahrte. Auf einer der Kopien nahm die Erblasserin zwei handschriftliche Ergänzungen bzw. Streichungen vor. Die erste Änderung versah sie mit Datum und Unterschrift, bei der zweiten Änderung hingegen fehlt eine Unterschrift. Nach dem Tod der Erblasserin berief sich einer der beiden Söhne darauf, entsprechend der beiden vorgenommenen Änderungen Alleinerbe geworden zu sein und beantragte die Erteilung eines Alleinerbscheins. Dem trat der andere Sohn der Erblasserin als Antragsgegner mit der Begründung entgegen, dass die zweite Änderung, mit der er auf den Pflichtteil beschränkt werden sollte, mangels Unterschrift nicht wirksam sei.

Das OLG Köln hat der Beschwerde des Antragsgegners stattgegeben und den Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kann ein formwirksames Testament auch dadurch hergestellt werden, dass der Testierende die Fotokopie eines von ihm eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testaments eigenhändig ändere, wenn der im vorhandenen Original und auf der Kopie niedergelegte Text ein einheitliches Ganzes bilde. Auch Änderungen in Form von eigenhändigen Durchstreichungen des fotokopierten Textes könnten unter dieser Voraussetzung Teil eines formwirksamen Testaments sein. Um den Formerfordernissen des § 2247 BGB gerecht zu werden, sei es jedoch erforderlich, dass auch die Änderungen mit einer Unterschrift des Erblassers versehen seien. Umso mehr gelte dies, nachdem die Erblasserin ihre erste Änderung unterzeichnet, dies jedoch bei der zweiten Änderung unterlassen habe. Es sei deshalb nicht auszuschließen, dass es sich lediglich um einen Entwurf gehandelt habe.

Gericht/Institution: OLG Köln
Erscheinungsdatum: 24.09.2020
Entscheidungsdatum: 22.07.2020
Aktenzeichen: 2 Wx 131/20
Norm: § 2247 BGB

Quelle: JURIS | Pressemitteilung des OLG Köln Nr. 42/2020 v. 24.09.2020

Sozialversicherungspflicht eines Notarztes

Sozialversicherungspflicht eines Notarztes

Das LSG Schleswig hat entschieden, dass ein Notarzt, der im Auftrag des Kreises im öffentlichen Rettungsdienst tätig ist, in der Regel sozialversicherungspflichtig ist.

Übernehme ein Arzt nebenberuflich regelmäßig Bereitschaftsdienste im Rahmen des öffentlichen Rettungsdienstes des Kreises, führe er diese Notarzttätigkeit in der Regel nicht in selbstständiger Tätigkeit aus, sondern es liege eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor, so das Landessozialgericht.

Geklagt hatte ein 45-jähriger Arzt, der hauptberuflich in einer eigenen Praxis tätig ist. Nebenher übernimmt er für verschiedene Auftraggeber Bereitschaftsdienste als Notarzt. Einer dieser Auftraggeber ist der Kreis Nordfriesland, der den öffentlichen Rettungsdienst im Kreisgebiet sicherstellt. Der Arzt erhält hierfür ein festes Honorar pro Bereitschaftsstunde und pro Einsatz. Er ist in einen Schichtplan eingebunden und wird angefordert, wenn ein Notruf eingeht und die Rettungsleitstelle entscheidet, dass ein Notarzt neben dem Rettungswagen erforderlich ist. Der Kreis stellt hierfür ein Notarztfahrzeug zur Verfügung. Vor Ort trifft der Arzt alle medizinischen Entscheidungen eigenständig. Mit einem sog. Statusfeststellungsantrag wollte er bei der Deutschen Rentenversicherung Bund feststellen lassen, dass diese Notarzttätigkeit im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit erfolgte. Diese ging jedoch vom Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung aus.
Das sah das SG Schleswig in erster Instanz anders und ordnete die Tätigkeit des Arztes als selbstständig ein.

Das LSG Schleswig hat dieses Urteil im Berufungsverfahren aufgehoben.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts ist der Arzt so in die Organisationsstruktur des vom Kreis zur Verfügung gestellten Rettungsdienstes eingebunden, dass die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwiegen. Denn letztlich unterliege der Notarzt der fachlichen Aufsicht des ärztlichen Leiters des Rettungsdienstes. Er sei fest in den Schichtplan eingebunden und könne einzelne Aufträge innerhalb seiner Schicht nicht ablehnen. Er greife über das Notarztfahrzeug auf die Sachmittel des Kreises zurück. Dass der Arzt vor Ort hinsichtlich der medizinischen Fragen keine Weisungen des Arbeitgebers erhalte, sei in der Therapie- und Behandlungsfreiheit eines jeden Arztes begründet und somit als grundsätzlich für eine selbstständige Tätigkeit sprechendes Merkmal nicht schwer zu gewichten.

Das Landessozialgericht folgt damit einer Linie des BSG. Das BSG hatte am 04.06.2019 (u.a. B 12 R 11/18 R) für in Krankenhäusern tätige Honorarärzte entschieden, dass die besondere Qualität der ärztlichen Heilkunde eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht ausschließe. Aufgrund des hohen Grades der Organisation in einem Krankenhaus, hätten die dort tätigen Ärzte keinen eigenen unternehmerischen Einfluss und seien in die dortigen Betriebsstrukturen und Abläufe eingebunden. Zu den Notärzten gebe es bislang noch keine Entscheidung vom BSG. Zu dieser Frage seien derzeit zwei Revisionen aus anderen Ländern dort angängig.

Gericht/Institution:Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Erscheinungsdatum:17.09.2020
Entscheidungsdatum:16.09.2020
Aktenzeichen:L 5 BA 51/18

Im vorliegenden Fall hat das Landessozialgericht die Revision nicht zugelassen.

Quelle: Pressemitteilung des LSG Schleswig v. 17.09.2020 – JURIS

Krankenkasse muss Gebühren für Transport im Rettungswagen erstatten

Krankenkasse muss Gebühren für Transport im Rettungswagen erstatten

Das SG Detmold hat im Falle eines Versicherten, der mit dem Rettungsdienst in die Notaufnahme des nächstgelegenen Krankenhauses befördert worden war, wobei er zunächst vom ambulanten Notdienst untersucht wurde, entschieden, dass die Krankenkasse die Gebühren für den Transport im Rettungswagen erstatten muss.

Der Kläger, der aufgrund einer Blutzuckerentgleisung zu Hause zusammen gebrochen war, wurde in der Notaufnahme allerdings erst behandelt, nachdem er zuvor vom ambulanten Notdienst, der sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Notaufnahme des Krankenhauses befand, untersucht wurde. Nach Ausstellung einer Verordnung für stationäre Behandlung wurde der Kläger erneut in der Notaufnahme behandelt, der Versicherte wurde jedoch nicht stationär aufgenommen, sondern nach Normalisierung der Blutzuckerwerte um 00:30 Uhr nach Hause entlassen. Mit Gebührenbescheid der Stadt Minden vom 14.01.2016 wurden dem Kläger die Kosten für die Fahrt mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus i.H.v. 425,18 Euro in Rechnung gestellt. Die Beklagte verneinte ihre Kostenerstattungspflicht mit der Begründung, eine ärztliche Verordnung für den Transport habe nicht vorgelegen.

Das SG Detmold hat der Klage stattgegeben.

Nach Auffassung des Sozialgerichts muss die Krankenkasse die Kosten der Rettungsfahrt zum Krankenhaus abzüglich der Zuzahlung durch den Versicherten zu übernehmen, auch wenn im Anschluss an die Rettungsfahrt zunächst eine ambulante Behandlung stattgefunden hat. Aus dem Einsatzprotokoll des Rettungsdienstes habe sich eindeutig ergeben, dass die Fahrt mit dem Ziel einer Behandlung in der Notaufnahme durchgeführt worden sei. Daher könne die Beklagte nicht mit dem Argument durchdringen, eine Behandlung habe dort unmittelbar nach der Fahrt nicht stattgefunden. Dass die ärztliche Untersuchung nicht durch die Ärztinnen und Ärzte in der zentralen Notaufnahme erfolgt sei, sondern durch den ambulanten Notdienst, könne nicht dazu führen, eine Rettungsfahrt mit dem Ziel einer ambulanten Behandlung anzunehmen, für die der Kläger bei Fehlen einer ärztlichen Verordnung allein die Kosten zu tragen hätte. Das Fehlen einer Verordnung schließe die Geltendmachung des Anspruchs nicht grundsätzlich aus. Insbesondere sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, für die Verordnung der Transportleistung zu sorgen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

juris-Redaktion
Quelle: Pressemitteilung des SG Detmold v. 02.03.2020