Beginn der Anfechtungsfrist bei Vaterschaftsanfechtung durch leiblichen Vater

Das OLG Hamm hat entschieden, dass der mutmaßliche (biologische) Vater die für den Beginn der Frist zur Anfechtung einer Vaterschaft entscheidende Kenntnis von Umständen, die gegen die Vaterschaft des mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheirateten Mannes sprechen, bereits dadurch erhält, dass er in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit der Mutter des Kindes hatte und das Kind eine ihm zum Zeitpunkt der Geburt bekannte Fehlbildung infolge eines Erbdefekts aufweist, die auch er hat.

Die Mutter des Kindes war zum Zeitpunkt der Geburt ihrer Tochter im April 2013 noch mit dem – rechtlichen – Vater verheiratet, der seiner Vaterschaft gegenüber dem zuständigen Standesamt allerdings widersprochen hatte. Die Ehe wurde im Mai 2013 rechtskräftig geschieden. Bereits seit Ende 2010 hatte die Mutter des Kindes eine intime Beziehung mit dem Antragsteller in diesem Verfahren, dem vermeintlichen biologischen Vater. Auch während der Empfängniszeit hatten der Antragsteller und die Mutter des Kindes regelmäßig Geschlechtsverkehr. Die Beziehung zwischen dem Antragsteller und der Kindesmutter scheiterte. Die Kindesmutter zog mit dem Kind im Frühjahr 2017 aus dem Haushalt des Antragstellers aus, nachdem sie seit Ende 2012 dauerhaft zusammengelebt hatten. Das Kind weist infolge eines Erbdefektes eine Fehlbildung auf. Denselben Erbdefekt mit einer Fehlbildung haben auch der Antragsteller und ein weiteres Kind des Antragstellers. Der Antragsteller hat von der Möglichkeit, die Vaterschaft zu dem Kind anzuerkennen, bis zur Einleitung dieses Verfahrens keinen Gebrauch gemacht. Nun verlangt er, dass seine Vaterschaft hinsichtlich des Kindes festgestellt wird.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller sei zwar im Grundsatz berechtigt, die bestehende Vaterschaft des rechtlichen Vaters anzufechten und seine eigene Vaterschaft feststellen zu lassen. Allerdings sei die zweijährige Anfechtungsfrist bereits abgelaufen, was einer gerichtlichen Anfechtung entgegenstehe. Gegen diese Entscheidung des Amtsgerichts wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde und macht geltend, der Zeitraum, in dem die Beziehung zur Mutter des Kindes bestanden habe, dürfe bei der Berechnung der Anfechtungsfrist nicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus habe ihm die Mutter des Kindes damit gedroht, dass sie mit dem Kind ausziehen und er es nicht wiedersehen werde, wenn er versuchen würde, seine Vaterschaft feststellen zu lassen. Den Kontakt zu dem Kind habe er nicht gefährden wollen, weshalb er an der Feststellung seiner Vaterschaft bis zu dem Auszug der Mutter des Kindes gehindert gewesen sei.

Das OLG Hamm hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist maßgeblich für den Fristbeginn der Zeitpunkt, zu dem der mutmaßliche biologische Vater von den Umständen erfährt, die gegen die (rechtliche) Vaterschaft, hier die Vaterschaft des früheren Ehemanns der Mutter des Kindes, sprechen. Zweifel an dessen Vaterschaft habe der Antragsteller schon zum Zeitpunkt der Geburt bereits deshalb haben müssen, weil er in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit der Mutter des Kindes gehabt habe und das Kind einen Erbdefekt aufweise, den auch er selbst habe. Damit habe die zweijährige Anfechtungsfrist im April 2013 zu laufen begonnen und im April 2015 geendet. Die Frist sei auch nicht gehemmt. Denn es könne nicht festgestellt werden, dass die Darstellung des Antragstellers zutreffen würde, die Mutter des Kindes habe ihm gedroht. Vielmehr habe sie den Antragsteller noch darauf hingewiesen, er müsse die Vaterschaft schriftlich anerkennen. Das habe er allerdings nicht gemacht. Lediglich im Zusammenhang mit einer Abmahnung, die ihr der Antragsteller als ihr Arbeitgeber nach ihrer Trennung im Frühjahr 2017 erteilt habe, habe sie ihm gegenüber in ihrer Wut erklärt, er würde sie und das Kind nie wiedersehen. Einen solchen Satz habe sie zu keinem Zeitpunkt im Zusammenhang mit einem Gespräch über die Anerkennung der Vaterschaft gesagt.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gericht/Institution:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:28.01.2021
Entscheidungsdatum:25.02.2020
Aktenzeichen:12 UF 12/18

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 28.01.2021 / juris

Neue Rechtsprechung – Nebenkostenabrechnung: BGH erweitert Kontrollrecht des Mieters

Neue Rechtsprechung – Nebenkostenabrechnung: BGH erweitert Kontrollrecht des Mieters

Viele Mieter erhalten in diesen Tagen die Nebenkostenabrechnung ihrer Vermieter für das Abrechnungsjahr 2019. Sie haben dann das Recht die Abrechnung zu überprüfen. Beanstandungen muss der Mieter bis zum Ablauf des 12. Monats vorbringen, nachdem er die Abrechnung erhalten hat. Allerdings bedeutet dies nicht, dass der Mieter sich immer so lange Zeit lassen darf, die Abrechnung zu beanstanden, sondern legt lediglich den Zeitpunkt fest, ab wann keine Einwände mehr möglich sind. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte der Mieter die Abrechnung daher umgehend nach Erhalt prüfen und seine Einwände dem Vermieter mitteilen.

Um die Abrechnung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen hat der Mieter das Recht die Originalrechnungen in den Büroräumen des Vermieters bzw. des Verwalters einzusehen. Neben den Rechnungen hat der Mieter auch das Recht auf Einsicht in die Zahlungsbelege, entschied nun der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil (Urt. v. 09.12.2020, Az. VIII ZR 118/19). Mit Hilfe dieser Belege könne der Mieter die Berechtigung der Beträge überprüfen, die er zahlen soll. Nur so könne der Mieter kontrollieren, ob die Rechnungsbeträge wie in der Abrechnung ausgewiesen beglichen und nicht etwa Kürzungen vorgenommen oder Preisnachlässe vereinbart worden sein. Die Belegeinsicht sei außerdem dafür gedacht, mögliche Versehen bei der Abrechnung aufzudecken.

Ein besonderes Interesse müsse der Mieter dafür nicht darlegen. Das allgemeine Interesse des Mieters, die Abrechnung des Vermieters zu kontrollieren, genüge bereits.

Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Rostock für 2021 veröffentlicht

Die Familiensenate des OLG Rostock haben ihre unterhaltsrechtlichen Leitlinien mit Wirkung vom 01.01.2021 neu gefasst.

Wesentliche Änderungen zu den bis 31.12.2020 geltenden Leitlinien beruhen auf der Anhebung des Mindestunterhalts (Verordnung zur Festlegung des Mindestunterhalts minderjähriger Kinder nach § 1612a Abs. 1 BGB vom 03.12.2015; BGBl. I 2188, i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 03.11.2020; BGBl. I 2344), und betreffen die Bedarfssätze beim Kindesunterhalt im Anhang I. (Unterhaltstabelle). Auch die Bedarfssätze volljähriger Kinder, die noch im Haushalt eines Elternteils leben (Vierte Altersstufe der Unterhaltstabelle), werden zum 01.01.2021 erhöht. Sie betragen, wie bisher, 125% des (angehobenen) Bedarfs der Zweiten Altersstufe.

Auf den Bedarf des Kindes ist nach § 1612b BGB das Kindergeld anzurechnen. Das Kindergeld beträgt ab dem 01.01.2021 für ein erstes und zweites Kind 219 Euro, für ein drittes Kind 225 Euro und für das vierte und jedes weitere Kind 250 Euro. Das Kindergeld ist bei minderjährigen Kindern in der Regel zur Hälfte, bei volljährigen Kindern voll auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen.

Im Übrigen bleiben die Leitlinien gegenüber dem Stand 01.01.2020 im Wesentlichen unverändert.

Gericht/Institution:OLG Rostock
Erscheinungsdatum:06.01.2021
Normen:§ 1612a BGB, § 1612b BGB

Quelle: Pressemitteilung des OLG Rostock v. 06.01.2021 / Juris